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AG Wiesner

Mitochondrien sind dynamische Zellorganellen mit essenziellen katabolischen, aber auch wichtigen anabolischen Funktionen, die eine bedeutende Rolle beim Zelltod sowie in wichtigen Signalwegen spielen. Ziel unserer Forschung ist es, zu verstehen, wie Mitochondrien-Dysfunktion in den Alterungsprozess und die Entstehung von alters-assoziierten Erkrankungen involviert ist. Im Besonderen sind wir an den Mechanismen interessiert, über die Deletionen in der mitochondrialen DNA (mtDNA) die progressive Dysfunktion von Organen hervorrufen. Solche Mutationen treten im normalen Alterungsprozess in vielen Geweben aller Organismen gehäuft auf.

Die klassische Freie-Radikale-Theorie des Alterns (nämlich der Teufelskreis von freien Sauerstoff-Radikalen aus der mitochondrialen Atmungskette, die mtDNA-Mutationen verursachen, was zur Bildung weiterer freier Radikale führt, die die mtDNA- Mutationslast weiter erhöhen usw.) ist im Laufe der vergangenen Jahre ernsthaft in Frage gestellt und wahrscheinlich sogar widerlegt worden. Es ist aber seit langem bekannt, dass Organe wie Herz, Muskeln, Gehirn und Leber in alten Individuen ein Mosaik darstellen, das heißt, dass wenige Zellen mit einer hohen Last an mtDNA-Deletionen, die schwere mitochondriale Dysfunktion verursachen, in normales Gewebe eingebettet sind. Obwohl es offensichtlich ist, dass in manchen Organen selbst wenige geschädigte Zellen die Funktion ernsthaft beeinträchtigen können (zum Beispiel die normale Ausbreitung der elektrischen Erregung im Herzen, die Kraftgenerierung in der Herz- und Skelettmuskulatur und die normale Funktion neuronaler Netzwerke), stehen experimentelle Modelle noch aus, die diese Annahme bestätigen. In anderen Geweben, die nicht in diesem Maße auf die Zusammenarbeit zwischen den Zellen angewiesen sind, können selbst wenige Zellen mit geschädigten Mitochondrien chronische Entzündungsprozesse verursachen.

Um die Frage zu beantworten, ob solch ein Gewebemosaik tatsächlich kausal an der Dysfunktion von Organen oder chronischer Entzündung während des Alterungsprozesses beteiligt ist, haben wir ein neues Mausmodell erstellt. Dieses erlaubt uns, in einer gewebespezifischen Weise eine gesteigerte Akkumulation von mtDNA-Deletionen und/oder mtDNA-Depletion zu erreichen. Wir haben so gezeigt, dass nur sehr wenige Kardiomyozyten mit gestörter mitochondrialer Funktion ausreichen, um Arrhythmien bei alten Mäusen zu induzieren (Baris et al., Cell Metab 2015; gefördert durch CECAD und DFG Normalverfahren).

Unsere früheren Arbeiten brachten neue Einblicke in die pathophysiologischen Konsequenzen von mtDNA-Punktmutationen auf die Assemblierung der Atmungskette. Wir haben gezeigt, dass durch Stop-Kodons trunkierte, mtDNA-kodierte Untereinheiten überraschenderweise in große supramolekulare Komplexe assembliert werden, die aber schnell durch Proteasen der inneren Membran als Teil des mitochondrialen Qualitätskontrollsystems degradiert werden (Hornig-Do et al., EMBO J 2012; gefördert durch ZMMK).

Wir haben den Katecholamin-Metabolismus als die treibende Kraft hinter der Akkumulation von mtDNA-Deletionen in dopaminergen Neuronen identifiziert, was die extrem hohe mtDNA-Mutationslast in dopaminergen Bereichen des menschlichen Gehirns erklärt. Diese führt zu Zellverlust und damit zu M. Parkinson, sobald in den Neuronen ein Schwellenwert von mutierten mtDNA-Kopien überschritten ist (Neuhaus et al., Brain 2014; Neuhaus et al., Neuroendocrinol 2017; gefördert durch ZMMK). Vor kurzem haben wir im Detail untersucht, wie mitochondriale Dysfunktion zum Tod von dopaminergen Neuronen führt (Ricke et al., J Neurosci 2020; Paß et al., Mol Neurobiol 2020).

Wir haben auf der anderen Seite demonstriert, dass die komplette Abwesenheit der Atmungskette eine normale Differenzierung der Epidermis erlaubt (Baris et. al., Stem Cells 2011; gefördert durch DFG Normalverfahren). Daraus kann man schließen, dass epidermale Stammzellen, und vielleicht Gewebestammzellen im Allgemeinen, relativ unabhängig von mitochondrialer ATP-Synthese sind. Diese wird durch eine hohe Kapazität für die aerobe Glykolyse ersetzt, eine Strategie, die oft in Tumorzellen beobachtet wird ("Warburg-Effekt"). Eine nur teilweise assemblierte Atmungskette dagegen führt zu einem schweren entzündlichen Phänotyp der Haut (Weiland et al., J Invest Dermatol 2018; gefördert durch SFB 829).

Außerdem haben wir solide Hinweise erbracht, dass die mitochondriale Dysfunktion nicht ursächlich in die Entwicklung von Insulinresistenz in der Skelettmuskulatur (Franko et al., J Mol Med 2012; gefördert durch CECAD) und der Leber (Franko et al., J Hepatol 2014; Franko et al., Diabetes 2016; Franko et al., Int J Mol Sci 2017; gefördert durch CECAD) involviert ist, wie es von vielen Autoren in diesem Bereich postuliert wurde. Jedoch ist ein intakter Insulin-Signalweg für korrekten Gehalt an und Funktion der Mitochondrien in beiden Geweben erforderlich. Auch haben wir den Mechanismus aufgezeigt, wie Metformin, das am häufigsten verschriebene Medikament gegen Diabetes, den Energieumsatz stimuliert und so die Entwicklung von Übergewicht und damit Typ 2-Diabetes verlangsamt (Schommers et al., J Mol Med 2017; gefördert durch CECAD).

Zuletzt ist unsere Gruppe auch an der Entwicklung von neuen Werkzeugen für die Erforschung von Mitochondrien beteiligt, da wir zusammen mit der Miltenyi Biotech GmbH in Bergisch Gladbach eine Methode entwickelt haben, um qualitativ hochwertige Mitochondrien mit Hilfe von Magnetic Beads aus Zellen (Hornig-Do et al., Anal Biochem 2009; gefördert durch ZMMK) und Mausgeweben (Franko et al., PLoS One 2014; gefördert durch CECAD) zu isolieren.